Hochwasser Teil 3

3 von 3: Chronologie einer Naturkatastrophe +++ 8 Tage wach +++ Allershausen räumt auf

Montag 3.Juni 204

1:30 – Forellenweg.

Gemeldeter Zimmerbrand – Löschfahrzeuge kommen wieder über die Glonnbrücke vom Norden in den Süden Allershausens. Fehlalarm. Fahrzeuge wieder im Bauhof bereitgestellt. In Einsatzklamotten nach Hause. Schlafen. Energie tanken. Der Morgen graut.

6:00 – Bauhof

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 314 – Tendenz fallend um 3cm/h

Wie vereinbart treffen sich über 30 ehrenamtliche Allershausener Feuerwehrkräfte. Kurze Einsatzbesprechung. Die ersten Programmpunkte des Tages: Überblick verschaffen – Feuerwehrhaus als Schaltzentrale wiederherstellen.

Die Glonn war mit 60 Zentimeter im Feuerwehrhaus zu Gast. Ca. 40cm höher als im April 1994. Viele Geräte konnten noch kurzfristig in Sicherheit gebracht werden. Der Rest: Nass und mit einer Dreckschicht bedeckt – darunter Schlauchcontainer, Vorratsschränke und auch private Fahrräder.

Die Mission klar: Aufräumen und back to Business. Ohne Strom, ohne Netz - dafür mit Willen und Tatendrang.

Zehn Mann kümmerten sich um das Feuerwehrhaus, fünf weitere bauten im Schulungsraum (1.OG) eine provisorische Einsatzleitung auf – die neue Leitstelle für die kommende Woche. Weitere Feuerwehrmänner besetzten die Fahrzeuge. Die Einsatzlisten mit Notrufen des vorigen Tages war prall gefüllt. 250 Meldungen rund um Allershausen. Führungskräfte begannen sofort mit dem Kommandowagen die Sichtung der ersten Listenplätze – schickten die schweren Fahrzeuge mit ihren Pumpen zu den ersten Kellern. Der Prozess des sukzessiven Kellerauspumpens begann. Ein Problem kristallisierte sich immer stärker heraus: Heizöl.

In zahlreichen Kellern trat durch das Hochwasser dieses Heizmittel aus den Tanks und Leitungen aus. Durch das Fließwasser der übergetretenen Glonn breitete es sich unkontrolliert auch in „heizölfreie“ Haushalte aus.

Die Lösung: Die Ölwehr Spezialkräfte aus Altenerding. Am Lehrkräfte-Parkplatz der Mittelschule wurde ein Ölwehrplatz errichtet. Mit Heizöl kontaminiertes Wasser wurde in den folgenden Tagen aus unzähligen Kellern mit Spezialpumpen in IBC-Tanks gepumpt, abgeschieden, weitesgehend gefiltert und das mit Wasser angereicherte Heizöl durch eine Spezialfirma täglich abtransportiert.

Nachdem in kontaminierten Keller das aufschwimmende Ölwassergemisch abgepumpt worden war, kamen Feuerwehren, um das verbliebene Schmutzwasser aus den Kellern zu pumpen. Mehr als 50 Keller wurden in Allershausen und Göttschlag in der ersten Juniwoche so befreit.

Keller die nicht mit Heizöl belastet waren, konnten von vielen ehrenamtlichen Feuerwehrkräften abgepumpt werden. Hier wurden bereits am Montag Morgen Kräfte aus Fahrenzhausen, Au i. d. Hallertau, Dietersheim, Weng, Eching, Nörting, Aiterbach, Tünzhausen und Leonhardsbuch zusammen mit den Allershausener Kräften aktiv.

Besonders „vollgelaufene“ Tiefgaragen und die großen Kellergeschoße von Kindergarten und Schule waren hier Schwerpunkte der ehrenamtlichen Kräfte.

Allerdings drückte das ansteigende Grundwasser diesem Prozess sprichwörtlich entgegen. Wird Wasser aus Gebäuden unterhalb dem Grundwasserspiegel gepumpt, kann dies zu Schäden an den Gebäuden führen. Vorsichtshalber wurde zu den Abpumpmaßnahmen der Bauchfachberater des THW Freising hinzugezogen. Vor allem der Weiler Göttschlag war an den ersten Tagen massiv von dem hohen Grundwasserspiegel betroffen, wodurch als einzige Maßnahme blieb: abwarten bis dieser Spiegel wieder sank – wie der Pegel der Glonn bei Hohenkammer, mittlerweile wieder 280cm (3.6.24 – 18:00 Uhr) Tendenz fallend 3cm/h. Pegel der Amper ca. 50cm unter Höchststand des Vortages.

Verpflegung der ca. 200 ehrenamtlichen Kräfte in und um Allershausen übernahm erneut die Johanniter Unfallhilfe – ehrenamtliche Partner, Freunde für Allershausen – auch in Krisenzeiten – unbezahlbar.

20:00 Uhr Feuerwehrhaus – Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer 276cm – Tendenz weiter fallend.

Gemeinsames Abendessen – Bratwürstl und Schweinesteaks - Opfer der aufgetauten Tiefkühltruhen wurden in geselliger Runde verzehrt. Müdigkeit und Kräftemangel schwanden durch gutes Essen, neue Freundschaft und aufkommendem Humor im Feuerwehrhaus.

Unserem, wieder sauberem aber feuchtem, Feuerwehrhaus. Allershausen immer noch flächendeckend ohne Strom und ohne Funknetz.

Dienstag, 4.Juni 2024

07:00 Uhr – Feuerwehrhaus – Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer 220cm – Tendenz -20cm/h

Gemeinsamer Kaffee – kurze Einsatzbesprechung durch Kommandant Friedrich Moser und Bürgermeister Martin Vaas – es wirkt wie tägliche Routine. Wie auch die kommenden Arbeiten. Sichter fahren Notrufe der letzten Tage ab, Ersatzleistellendisponenten weisen die Schadensorte den Fahrzeugen zu, fleißige Kameraden erledigen den Innendienst: kümmern sich um Verpflegung, eine professionelle Notstromeinspeisung und weitere Schäden im Feuerwehrhaus – draußen der Pumpenprozess. Feuerwehrfahrzeuge aus Allershausen, Leonhardsbuch, Aiterbach, Tünzhausen, Au i.d. Hallertau, Pfrombach, Aich, Weng, Dietersheim und Fahrenzhausen. Sie fahren Schadensorte an, pumpen Keller leer (bis zur Grundwassergrenze), unterstützen die Ölwehr aus Erding. Heizöl raus, Wasserpumpen rein, Schmutzwasser raus.

Grundwassersituation in Göttschlag unverändert. Um diesem Spiegel entgegenzuwirken und den neuen See um Göttschlag wieder zu entleeren, werden Hochleistungspumpen des THW München-Ost und Dachau beordert. Pumpenleistung 25.000Liter/min. Wasser kommt so wieder zurück in die Amper, wo es hingehört.

14:30 Uhr – Grassingerstraße – Pegelstand 115 cm

Kurze Störung der Routine: ein gemeldeter Kellerbrand – eine hochwassergeschädigte Hausverteilung verursachte einen Kleinbrand. Ein Löschfahrzeug der Feuerwehr Dietersheim war gerade zwischen zwei Pumpeinsätzen in Allershausen frei und übernahm den Einsatz. Beispiel für tägliche Routine. Nichts konnte uns aufhalten.

Lichtschimmer am Horizont:

Gute Nachrichten über die sozialen Medien. Der verunfallte Elektroarbeiter vom Sonntag ist auf dem Weg der Besserung. Freude und Hoffnung im tristen Alltag. Gänsehaut auch bei gestandenen Altfeuerwehrlern.

Mittwoch bis Freitag, 5.Juni bis 7.Juni 2024

Tägliche Routine – Treffpunkt 07:00 – Sichten, Disponieren, Keller auspumpen und Heizölwassergemisch separieren.

Unterstützt zusätzlich durch den Ölwehrzug aus Traunstein - vorher in Hohenkammer im Einsatz

Besonderheit am Donnerstag, 6. Juni 7:05Uhr – Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 70cm – „Normalwert“

Einsatz für die Feuerwehr Allershausen, Technische Hilfeleistung Gefahrgut, Autobahn A9 Höhe Ausfahrt Allershausen – unbekannte Substanz aus einem verunfallten LKW.

In jeder anderen Ausgabe unserer geliebten Allershausener Nachrichten würde dieser Bericht ein Seitenfüller sein. In diesen Zeiten des Juni 2024 eine Randnotiz. Die Ehrenamtlichen rückten aus, erkundetem unter schwerem Atemschutz und Chemikalienschutzanzug den verunfallten LKW sowie dessen Ladung. Entwarnung – kein gefährlicher Stoff. Brandschutz sicherstellen,  LKW bergen, absichern, zurück zum Feuerwehrhaus. Zurück zur Routine. Keller auspumpen.  Auch in Göttschlag, da der Grundwasserpegel nun weiter sinkt. Der See um Göttschlag fast ausgetrocknet.

Freitag, 7. Juni 2024 18:00 Uhr – Feuerwehr Gerätehaus Allershausen

Die letzten Keller waren ausgepumpt. Die treuen Freunde der Ortsteilwehren aus Leonhardsbuch, Aiterbach und Tünzhausen verabschiedeten sich ausnahmsweise nicht mit den Worten „Bis Morgen“.

Alle Fahrzeuge versammelten sich im Hof. Biertische aufgebaut. Vorbereitetes Abendessen gemeinsam. Es wurde wieder gemeinsam gelacht. Der Katastrophenalarm wurde am Freitag gegen 18:00 vom Landrat in Freising aufgehoben.

Samstag, 8. Juni 2024 09:00 Uhr - Feuerwehrgerätehaus Allershausen

Der Samstag nach der Katastrophe. Großreinemachen ist die Devise des Tages. Ausstattung der Fahrzeuge wieder ordnen, Hochwasserausrüstung in die vorgesehenen Rollcontainer verlasten. Fahrzeuge und Stiefel waschen und auf Hochglanz polieren. Dreckige und nach Heizöl riechende Einsatzhosen und Jacken zur Reinigung zusammentragen – neu aufmunitionieren. Schränke und Regale im Feuerwehrhaus begutachten, putzen und von Zeichen des Hochwassers befreien. Schäden dokumentieren und beseitigen.

Letzte Tat des Tages: Markierung an der Fassade des Feuerwehrhauses anbringen:

Hochwasser: Sonntag, 2.Juni 2024

Unser Motto – geprüft durch die Tage: Unsere Freizeit – Ihre Sicherheit

EURE Feuerwehr Allershausen

PS: Sonntag, 23. Juni 2024 – irgendwo in Allershausen

Pegelstand bei Hohenkammer – normal

Bilder sichten und Bericht schreiben – keinen normalen – Portion Humor mit einbauen. Ernst genug war es.


Einsatzart Technische Hilfeleistung
Einsatzstart 3. Juni 2024 01:30
Mannschaftstärke 30
Einsatzdauer 6 Tage
Fahrzeuge ELW 1
TLF 16/25
HLF 20
GW-L2
RW