Hochwasser Teil 2

2 von 3: Chronologie einer Naturkatastrophe +++ 8 Tage wach +++ Allershausen im Ausnahmezustand

Sonntag, 2. Juni 2024 – Tag der Katastrophe

03:38 Uhr - Allershausen – Vollalarm für die Feuerwehr Allershausen: Wachbesetzung

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 310cm - Meldestufe 3 von 4

Stündlich überprüfte die Führung den offiziellen Pegelstand im Internet. An Schlaf war kaum zu denken. Seit 3:00 Uhr zeigt die Tendenz einen Pegelanstieg von 15cm/h. Somit wird Meldestufe 4 mit 350cm in ca. 2,5 Stunden erreicht.

Rückblick: Hochwasser 1. Juni 2013 – Bei einem Pegelstand von 339cm wurde die Kienbergerstraße ca. 30cm überflutet. Ein Sandsackwall an der dortigen Straße verhinderte Eindringen von Oberflächenwasser in Gebäude. Der Parkplatz am „Feuerwehrbrückerl“ sowie die Uhlandstraße waren überflutet.

04:00 Uhr - Bauhof Allershausen

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 334cm - Meldestufe 3 von 4

Die Sandsackabfüllung am Bauhof wird auf Hochtouren wieder angefahren.

Ein Sandsackwall wird entlang der Kienbergerstraße errichtet. Sandsäcke werden nachgeordert und weitere angeforderte Sandsäcke von der Feuerwehr Eching geliefert. Die Feuerwehren Tünzhausen, Leonhardsbuch und Aiterbach unterstützen die Sandsackabfüllung.

04:53 Uhr – Kienberger Straße

Die E-Ladesäulen auf den Parkplätzen an den Glonnterrassen und am Volksfestplatz werden abgeschaltet. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

06:30 Uhr - Kienberger Straße, Allershausen

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 380cm - Meldestufe 4 von 4 – neuer Höchstwert der Messung

Weitere 2.000 Sandsäcke wurden in den ersten Morgenstunden am Bauhof gefüllt, palettiert und verbracht. Ein Sandsackwall mit 50cm Höhe wurde auf einer Länge von 600m entlang der Straße errichtet. Straßen vorsorglich gesperrt.

Die Glonn bei diesem Stand noch in ihrem Flussbett, bislang keine Ausuferung der Flure.

07:15 Uhr - Uhlandstraße

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer:  385cm - Meldestufe 4 von 4

Die Glonn tritt im Bereich der Uhlandstraße zur Kienbergerstraße über die Ufer.

07:30 Uhr - Kienbergerstraße

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 387cm - Meldestufe 4 von 4 – Spitzenwert des Tages

Die Ausuferung der Glonn erreicht den errichteten Schutzwall – sie steigt aber weiter.

Eine weitere Reihe Sandsäcke wird von den Freiwilligen auf den Schutzdamm gerichtet.

Erste Schaulustige finden sich nahe dem Volksfestplatz ein.

08:15 Uhr - Kienbergerstraße

Pegelstand der Glonn bei Hohenkammer: 387cm - Meldestufe 4 von 4

Das Hochwasser erreicht die Höchstgrenze des Sandsackwalls und überspült diesen.

Feuerwehr verteilt weiter Sandsäcke an Anwohner. Erstes Wasser tritt in das Feuerwehrgerätehaus ein. Drehleiter wird an den Bauhof verlagert. Ausrüstungsgegenstände so gut es geht nach „oben“ platziert. Aus einer Pension in der Uhlandstraße wird eine Familie mittels Schlauchboot durch die Feuerwehr evakuiert. Die Ereignisse überschlagen sich an der ausufernden Glonn.

08:30 Uhr - Feuerwehrgerätehaus

Land unter im Feuerwehrhaus, die historische Marke von 20cm Überflutung des Hochwassers 1994 ist erreicht.

Die Einsatzleitung wird  zu den Allershausener Tankstellen in der Münchner Straße verlegt.

Das Wasser steigt weiter – die Glonn breitet sich aus.

08:50 Uhr – Uhlandstraße

2 weitere Personen müssen aus einer Pension befreit werden – diesmal nur noch mit einem Radlader möglich.

09:00 Uhr - Münchner Straße

Das Wasser erreicht die Münchner Straße, der Vorhof der Feuerwehr ist komplett geflutet.

Das Wasser steigt weiter. Erste Ausuferungen des Mühlbachs.

Eine großräumige Straßensperre wird um die Gemeinde Allershausen eingerichtet. Einige Fahrbahnen der Autobahn A9 sind geflutet und für den Verkehr gesperrt.

09:30 Uhr - Abt-Josef,- Uhland-, Kienberger-, Kirch-, Ampertal-, von-Behring-, Ludwig-Thoma-, Fürholzer-, Josef-Schmid-, Grassinger-, Robert-Koch-, Schul- , Glonntal-, Münchner-, Mozart- und Freisingerstraße sowie der Sebastian-Bach-Weg sind nun Teil der Glonn.

Ebenso der Ortsteil Reckmühle - hauptsächlich die Straße An den Weiden.

Das Wasser steigt weiter.

10:00 Uhr – von-Behring-Straße: Erste Evakuierungsmaßnahmen

Feuerwehr transportiert mit Traktoren erste Familien aus ihren überfluteten Häusern. Das Wasser erreichte dort bereits das Erdgeschoss. Die evakuierten Familien wurden von der Feuerwehr Nörting in das Dorfhaus nach Aiterbach in Sicherheit gebracht.

10:15 – Seb.-Bach-Weg – „Laufende Reanimation“

(Die Feuerwehr Allershausen berichtet nicht von medizinischen Notfällen, mit Einwilligung des Geschädigten und zum besseren Verständnis der weiteren Ereignisse machen wir hier eine Ausnahme)

Aus unbekannter Ursache kam es im Rahmen des Hochwassers im Sebastian-Bach-Weg, Allershausen zu einem Arbeitsunfall, bei dem eine Elektrofachkraft an einem Stromverteiler einen Stromschlag erlitt. Anwohner zogen den Verunfallten aus dem Gefahrenbereich, ehe die herangeeilten Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte umgehend die Reanimation mittels Herzdruckmassage und Automatischem Elektrischem Defibrillator starteten. Ein Rettungshubschrauber mit Notarzt landete daraufhin im Allershausener Süden und verbrachte den Verunfallten in ein nahegelegenes Krankenhaus.

Daraufhin wurde durch die Einsatzleitung sofort eine Stromlosschaltung von ganz Allershausen veranlasst, wodurch auch die Funkmasten betroffen waren.  

Das Resultat: Allershausen war ohne Netz, ohne Strom und voll mit Wasser. Die Katastrophe hat ihren Gipfel erreicht – der Pegel der Glonn in Allershausen ebenso.

10:30 – Reckmühle: Eine scheinbar verwirrte Person versuchte vom Gewerbegebiet in Richtung Reckmühle durch das ausgeuferte Wildwasser der Glonn zu gelangen. Aufmerksame Mitbürger meldeten dies dem auf Kontrollfahrt befindlichen Tanklöschfahrzeug, das sofort mit der Rettung des Mannes begann. Der Unglücksrabe konnte von den Feuerwehrkräften wieder an Land in Sicherheit gebracht werden – eine scharfe Belehrung, solch eine Wanderung heute zu unterlassen, inbegriffen.

11:00 – Behring- und Josef-Schmid-straße

Die Feuerwehr unternimmt mit den herbei geeilten Einheiten der Wasserwachten Eching und Nandlstadt weitere Evakuierungsmaßnahmen und verbringt dorthin ebenso Sandsäcke, wo Anwohner weiter im Kampf gegen das Hochwasser ihr Hab und Gut zu schützen versuchen.

Statt der gewohnten Bezeichnungen über Funk wie „Florian Allershausen 40/1“ für das Löschfahrzeug ist der Funkkanal nun gefüllt mit den Einheiten: „Bullog 1 und 2“, „Lader 1 und 2“, „Unimog 1 und 2“. Ein Überfahren der Glonnbrücken im Ortsgebiet Allershausen mittels gewöhnlicher Kraftfahrzeuge ist unmöglich.

Weitere Kräfte zur Unterstützung der Evakuierungsmaßnahmen mussten bereits über die Glonnbrücke bei Hohenkammer anfahren, um den Norden von Allershausen zu erreichen.

Die Drohnengruppe der Landkreisfeuerwehren aus Attenkirchen wird nach Göttschlag verlegt, um den dortigen Amperdamm aus der Luft zu erkunden.

12:00 – Autobahnbrücke Allershausen: Die Feuerwehr Führung hatte sich bereits zum alten „Salzstadl“ Allershausen zurückgezogen und zusammen mit der Sanitätseinsatzleitung einen Führungsstab eingerichtet. Die andauernde Funkverbindungsstörung behindert die Kommunikation zum Landratsamt und anderen Stellen enorm.

13:00 – Göttschlag: Hilferuf aus dem Osten der Gemeinde: Die Amper ist Höhe Göttschlag über den Damm getreten und überflutet den Weiler.

Die Wasserstandsmeldung an der Amper (hier zur Referenz die Werte der Messstelle Inkofen – flußabwärts) ebenfalls bei Warnstufe 4 mit etwa 399cm – Normalwert: 100cm.

Die Einsatzleitung reagiert sofort. Es werden weitere Kräfte angefordert. Die Geschehnisse in Göttschlag werden zu einem eigenen Einsatzabschnitt erkoren. Erfahrene Allershausener Feuerwehrleute unterstützen die Einsatzleitung unter der Regie der Feuerwehr Goldach.

Die Ortsteilwehren Aiterbach, Leonhardsbuch und Tünzhausen werden in das Kieswerk beordert, um dort Sandsäcke für den Weiler Göttschlag herzustellen.

14:00 Uhr – Allershausen: Es werden mittels Traktoren und Unimogs weitere Kontrollfahrten getätigt, um den Menschen in den stark überfluteten Gebieten beizustehen, Hilfe und Evakuierung anzubieten.

15:00 Uhr – Göttschlag: An einen weiteren Stelle überflutet die Amper ihren Schutzdamm und trägt diesen durch die starke Strömung weiter ab.

15:15 Uhr – Allershausen: Das Erdgeschoß des Seniorenzentrums wird evakuiert.

16:00 Uhr – Göttschlag: Mittels sogenannter „BigPacks“ kann einer der Dammbrüche nahe der Amperbrücke durch eine Firma aus Eglhausen mit Logistikkran gestopft werden.

17:00 Uhr– Schroßlacher Straße:

Die Einsatzleitung von Feuerwehr und Sanitätspersonal wird verlegt in die Fahrzeughalle der Johanniter Allershausen.

Dort wird durch die örtliche Schnelleinsatzgruppe Logistik und Technik ein „Leuchtturm“ eingerichtet. Strom, Wärme und Betreuung für die rastlosen Helfer.

16:00 bis 20:00 – Allershausen und Göttschlag

Am laufenden Band werden Menschen aus ihren Häusern in der Ampertalstraße, Abt-Josef-Straße sowie aus Göttschlag evakuiert und nach Hohenkammer gebracht. Dort wurde von der Johanniter Unfallhilfe eine zentrale Sammelstelle für hilfsbedürftige Personen eingerichtet.

22:00 Uhr – Schroßlacher Straße

Gemeinsames Einfinden aller Einheiten im „Leuchtturm“ der Fahrzeughalle der Johanniter Unfallhilfe, Abendessen und weiteres Vorgehen für die Nacht und den kommenden Morgen.

23:00 – Bauhof

Da das Feuerwehrhaus stark vom Hochwasser betroffen war, werden die Einsatzfahrzeuge am Bauhof platziert. Anfahrt über Glonnbrücke in Hohenkammer. Allershausen Süd und Nord weiterhin getrennt. Einsatzkräfte nehmen ihre persönliche Schutzausrüstung mit nach Hause – auch im Katastrophenfall – allzeit bereit.


Einsatzart Technische Hilfeleistung
Einsatzstart 2. Juni 2024 03:00
Mannschaftstärke 35
Einsatzdauer 19 Stunden
Fahrzeuge ELW 1
TLF 16/25
HLF 20
GW-L2
RW